frauen.kultur.forderungen
"Feminismus ist Politik; eine Politik, die auf die Veränderung der realen gesellschaftlichen
Machtverhältnisse zwischen Männern und Frauen abzielt. Diese Machtverhältnisse bestimmen
sämtliche Lebensbereiche: Familie, Erziehung, Fürsorge, die Welt der Arbeit und der Politik,
Kultur und Freizeit. Sie legen fest, wer was für wen tut, was wir sind und was wir werden
können".
(Chris Weedon, Wissen und Erfahrung)
Der Abbau der unterschiedlichen Machtverhältnisse zwischen Frauen und Männern führt zu
Geschlechterdemokratie, der Herstellung demokratischer Verhältnisse zwischen den Geschlechtern.
Damit sind nicht allein die politischen Partizipationschancen anvisiert, sondern auch die
gesellschaftliche Ressourcenverteilung zwischen Männern und Frauen. Geschlechterdemokratie
impliziert notwendigerweise eine Veränderung der bestehenden Machtverhältnisse, auch in
demokratischen Systemen. In der Ablehnung einer Herrschaft über andere geht es bei der gleichen
Partizipation von Frauen und Männern um einen veränderten, positiven Machtbegriff - positiv
als Zugangs- und Kontrollrecht über Ressourcen sowie als Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeit
im öffentlichen Raum (Politik, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft etc.) und im privaten Bereich.
Demokratie beinhaltet die Anerkennung von gleichen Rechten für Verschiedene, ist durch Offenheit
gekennzeichnet und vermeidet eine Homogenisierung innerhalb der Gruppe der Frauen als auch jener der
Männer.
(Vgl. Geschlechterdemokratie – ein neues feministisches Leitbild? Femina politica –
Zeitschrift für feministische Politik-Wissenschaft. Heft 2/2002)
Wir fordern vom Land Oberösterreich:
Landeskulturbeirat
Im Sinne von Gender Mainstreaming fordern wir die geschlechterparitätische Besetzung des
oberösterreichischen Landeskulturbeirates inklusive der Fachbeiräte zum nächstmöglichen
Zeitpunkt. Jeder einzelne Fachbeirat ist paritätisch zu besetzen. Mitglieder des Landeskulturbeirats
haben – sofern Sie nicht Bedienstete des Landes OÖ sind – für diesen Einsatz eine entsprechende
Aufwandsentschädigung zu bekommen.
Vergabe von Preisen und Stipendien
Mittelfristig ist mit einem Maßnahmen-Bündel zu erreichen, dass Preise und Stipendien des
Landes OÖ geschlechterparitätisch vergeben werden:
Wir fordern die geschlechterparitätische Besetzung von Jurys und Beiräten für die Vergabe
von Landespreisen, Stipendien, Atelierförderungen und Talentförderungen des Landes
Oberösterreichs. Über die Besetzung von Jurys ist öffentlich (z.B. im Landeskulturbericht)
vor einer Entscheidung zu informieren. Insbesondere der Landeskulturbeirat und die Interessensvertretungen
der Kulturschaffenden, sowie die Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur sind einzubeziehen
und haben das Recht, Stellung zu nehmen. Die Ausschreibung hat so zu erfolgen, dass sie einer breiten
Öffentlichkeit zugänglich wird.
Der Ausschreibungstext hat so formuliert zu sein, dass Frauen explizit eingeladen sind, sich zu bewerben.
Im speziellen Fall der Talentförderung und bei Stipendien ist die Altersbegrenzung abzuschaffen.
Der Begriff "Junge KünstlerIn" ist irreführend, da viele KünstlerInnen erst in
späteren Jahren mit einer künstlerischen Tätigkeit beginnen oder die Phase ihres Schaffens
durch "Kinderzeiten" unterbrochen ist.
Auf der Ebene der Herstellung von Parität im Landeskulturbeirat und bei Jurys usw. sind MigrantInnen
in der Höhe ihres Bevölkerungsanteils zu berücksichtigen. Auch hier sind Frauen im gleichen
Maße wie die Männer einzubinden.
Auch andere Gremien des Landes OÖ. im Kunst- und Kulturbereich z.B. Beiräte, Aufsichtsräte
sind paritätisch zu besetzen, auch wenn es sich um ausgegliederte Einrichtungen handelt und auch
wenn diese nur für eine gewisse Zeitphase eingerichtet werden.
Personalpolitik des Landes OÖ
In der gesamten Landeskulturverwaltung, in den ausgegliederten Kultureinrichtungen des Landes
Oberösterreich (Landestheater, OK, Landesmuseum, Musikschulwerk, etc.) und in allen kommunalen
Kulturinstitutionen ist eine Erhöhung des Frauenanteils besonders in den Führungspositionen
anzustreben. In jeder Ausschreibung ist darauf hinzuweisen, dass bei gleicher Qualifikation Frauen
bevorzugt einzustellen sind.
Im wieder einzuführenden Landeskulturbericht sind die Zahlen der MitarbeiterInnen aufgeschlüsselt
nach Dienstgrad und Geschlecht öffentlich zu publizieren.
Die in landesnahen und kommunalen Einrichtungen immer umfassender werdenden Beschäftigungen auf der
Basis von Werk- oder freien Dienstverträgen sind einzuschränken. MitarbeiterInnen sind fixe
Arbeitsplätze anzubieten.
Landtag
Im Landtag ist ein ständiger Kulturausschuss einzurichten, dessen Sitzungen und Protokolle
öffentlich zugänglich sind. Um zu erreichen, dass im Landtag und seinen Ausschüssen
Geschlechterparität hergestellt wird, ist eine Bindung der Parteienförderung an die Zahl
der Frauenmandate (Abstriche beim Finanziellen, wenn zuwenig Frauen vertreten sind) notwendig.
Programmgestaltung
Durch bewusste Frauenförderung ist mittelfristig zu erreichen, dass alle kulturellen Einrichtungen
des Landes Oberösterreich und die Organisationen, die für kulturelle Aktivitäten vom Land
Oberösterreich Subventionen erhalten, aufgefordert werden ihr Programm geschlechterparitätisch
zu gestalten.
Bei Landeseinrichtungen ist ein gender-sensibles Projektmanagement einzuführen und umzusetzen.
Freie Einrichtungen und Initiativen werden durch gezielte Maßnahmen zu einer ebensolchen
Programmgestaltung animiert.
Geschlechterparität hat auch in der Gestaltung der Kulturmedien und der Öffentlichkeitsarbeit
der kulturellen Einrichtungen sichtbar zu werden.
Subventionen
Bei der Antragsstellung von Subventionen ist die Geschlechterparität zu thematisieren. Bei der
Abrechnung ist darzustellen, wie viele Frauen und wie viele Männer und in welchen Rollen diese
an einer künstlerischen Aktivität beteiligt waren. (KünstlerIn, KuratorIn, Organisation,
Hilfskräfte, ...)
Berichtswesen
Der im Landeskulturförderungsgesetz vorgesehene öffentlich zugängliche
Kultur-Förderbericht des Landes ist wieder einzuführen.
Dieser hat nachvollziehbar und international vergleichbar darzustellen, wie die Steuergelder in der
Kultur verwendet werden. Dabei ist eine geschlechtsgetrennte Statistik – im Sinne des Gender
Mainstreaming - zu führen.
Die Landeskulturdirektion ist aufgefordert regelmäßig über die Fortschritte des Gender
Mainstreamings und die in diesem Rahmen gesetzten Maßnahmen öffentlich zu berichten.
Kulturdokumentation, Kulturelles Erbe
Bei der Dokumentation des kulturellen Lebens in Oberösterreich sind die Frauen gleichberechtigt
zu berücksichtigen. Auch bei der Aufarbeitung der kulturellen Vergangenheit ist ein besonderes
Augenmerk auf die Leistungen der Frauen zu legen. Es gilt diesen Frauen ein Podium zu geben - sei es
durch Ausstellungen, wissenschaftliche Arbeiten, Dokumentationen - aber auch durch deren Würdigung
im öffentlichen Raum. (Gedenktafeln, Benennungen von Straßen und Plätzen)
Kulturelle Großereignisse
Um Geschlechterparität zu schaffen, sind die zahlreichen kulturellen Großereignisse im Land
Oberösterreich (Landesausstellungen, Festival der Regionen, Brucknerfest, Ars Electronica, ...)
künftig gender-sensibel zu planen und auszurichten.
Um den diesbezüglich besonders augenfälligen Diskrepanzen entgegenzuwirken, ist alle zwei
Jahre ein anderes etabliertes kulturelles Großereignis eigens zu einem Frauenschwerpunkt
durchzuführen.
Ansonsten haben finanzielle Mittel in ähnlicher Höhe eigenen Frauenkulturprojekten
zu Gute zu kommen.
Förderung für Kinderbetreuung
Das Land Land OÖ richtet einen eigenen Fördertopf ein, der dazu dient, während
Kulturveranstaltungen, Seminaren, Workshops, etc., Kinderbetreuung anzubieten (das betrifft vor
allem tagsüber stattfindende Veranstaltungen). Längerfristig sollten Kinderbetreuungskosten
in den laufenden Budgets der Kulturinitiativen und -projekte verankert werden, die Budgets sind um
diesen Betrag zu erhöhen.
Geschlechtersensible Kinderkultur ist verstärkt anzubieten.
Generell ist das Angebot an qualitativ hochwertigen Kinderbetreuungseinrichtungen für alle
Altersstufen insbesondere im ländlichen Raum auszubauen.
Bildungsangebote für Kunst- und Kultur
Bei bestehenden und bei der Entwicklung von Bildungs-, Ausbildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen
für Kulturarbeiterinnen und Künstlerinnen sind frauenspezifische Aspekte inhaltlich und
organisatorisch zu berücksichtigen. Grundlagen feministischer Theorie sollten in jedem umfassenden
Bildungsprogramm Teil der Ausbildung sein, genderspezifische Weiterbildungsangebote sind besonders
zu fördern.
Die öffentliche Hand hat besonders solche Bildungsmaßnahmen zu unterstützen und
Strukturen zu schaffen, die neue Angebote ermöglichen.
Es ist zu berücksichtigen, dass Frauen zumeist diejenigen sind, die finanziell schlechter
gestellt sind, daher ist es notwendig, Ausbildungen und Weiterbildungen im Kunst– und Kulturbereich
anzubieten, die auch leistbar sind. Der Erhalt und der Ausbau des OÖ. Bildungskontos ist darum
unumgänglich.
Kontraproduktiv wirken Studiengebühren an den (Kunst-)Universitäten.
Ehrenamt
Auch im Kulturbereich sind überdurchschnittlich viele Frauen ehrenamtlich tätig.
MitarbeiterInnen, die ihre Arbeitsleistungen kostenlos zur Verfügung stellen, gilt es durch
gezielte Weiterbildungsangebote und Maßnahmen zur Zertifizierung von ehrenamtlich erworbenen
Qualifikationen zu fördern.
Aufbauend auf dem Modell der Bildungskarenz ist ein Jahr der "Kulturkarenz" einzurichten,
das Land OÖ ist aufgefordert sich gegenüber AMS und Bund dafür einzusetzen. Dieses Jahr
ermöglicht es Interessierten mit einer finanziellen Grundsicherung direkt und umfassender an der
Kulturarbeit zu partizipieren, als es neben einem Vollzeitjob machbar ist. Bildungs- und Kulturkarenz
sind neben den bestehenden Sicherheiten auch für die Pension anrechenbar und der Betrag der
Absicherung ist mindestens auf den Ausgleichszulagenrichtsatz zu erhöhen.
Vernetzung
Damit FIFTITU%, die Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst und Kultur in Oberösterreich
ihre Aufgaben und die Anforderungen, die an sie gestellt werden, erfüllen kann, ist eine
mittelfristige Finanzierungszusage vom Land Oberösterreich unumgänglich. Es geht um die
Absicherung und Erweiterung des Service- und Informationsangebotes für kulturschaffende Frauen
und um kulturelle Projekte, die einen wichtigen Beitrag für Geschlechterparität leisten. Es
bedarf vor allem der finanziellen Sicherstellung einer regelmäßigen Bürostruktur mit
zumindest einer fix Angestellten.
Landeskulturförderungsgesetz
Die oben genannten Bereiche sind - soweit rechtlich möglich, verbindlich im OÖ.
Landeskulturförderungsgesetz zu verankern.
Frauenvolksbegehren
Im übrigen fordern wir die sofortige Umsetzung aller Punkte des von über 600.000
ÖsterreicherInnen unterschriebenen Frauenvolksbegehrens. Insbesondere fordern wir einen
Mindestlohn von EUR 1200.- brutto (Anpassung der Forderung des Frauenvolksbegehrens an den
Verbraucherpreisindex, für einen Vollzeitarbeitsplatz, Stand 8/ 2003). Gerade im Kulturbereich
würde dieser Mindestlohn vielen Frauen zugute kommen. Die öffentlichen SubventionsgeberInnen
haben zu gewährleisten, dass diese Ausgaben in Kultureinrichtungen auch budgetär sichergestellt sind.